Frösche schreddern im Naturschutzgebiet |
Wertvolle Wiese in Ammersbek braucht die Hilfe Hamburgs
Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral. Das gilt auch für die Biolandwirtschaft, und der Naturschutz im Detail bleibt oft auf der Strecke. Selbst ein Hamburger Staatsgut wie der Demeterhof Gut Wulfsdorf in Ahrensburg verwandelt eine artenreiche Magerwiese lieber in eine fette Futtergraswiese, auch wenn sie in einem Naturschutzgebiet (NSG) liegt, wo eigentlich der Schutzgedanke an erster Stelle stehen sollte.
Ein Schatzkästlein der Natur
Bereits 2013 hatte der Biohofbetreiber eine der artenreichsten Wiesen im Großraum Hamburg mulchen lassen. Sie ist mit nur einem Hektar ein kleiner Teil eines 15 Hektar großen Wiesenbereichs im NSG Heidkoppelmoor, den Gut Wulfsdorf als Rinderweide und teilweise auch zum Heumachen nutzt. Der eine Hektar ist eine sogenannte Borstgraswiese, ein EU-rechtlich geschützter Lebensraumtyp. Auf ihr lebt eine Vielzahl von bedrohten Tagfalter-, Widderchen-, Käfer- und Heuschreckenarten. Es wachsen dort 95 Pflanzenarten, darunter 30 Arten der Roten Listen von Hamburg und Schleswig-Holstein.
Mulchopfer Sumpfschrecke und Goldschrecke. Die Goldschrecke lebt vertikal orientiert und braucht höhere Vegetation.
Hohe Verlustrate
Wiesen sind vom Menschen geschaffene Lebensräume und müssen gemäht werden. Leider werden dabei, abhängig von Gerät und Schnitthöhe, Tiere getötet. Wird aber die Wiese gemulcht, fallen besonders viele Tiere dem maschinellen Zerkleinern des Grases zum Opfer. Der Einsatz des Schlegelmulchers im Juni hat daher drastische Auswirkungen auf die Tierwelt. Der Ansaugdruck und hyperschnell rotierende Messer schreddern Heuschrecken, Tagfalterraupen und andere Insekten, außerdem Frösche und Eidechsen. Die Umweltstiftung in München nennt bei dem zweifachen Bearbeitungsprozessaus Mähen und Mulchen eine Tötungsrate von Kleintieren von nahezu 100 Prozent.
Hinzu kommt, dass der Demeterhof den Grasschnitt auf der Wiese belässt, sozusagen als Dünger. Magerwiese aber muss mager sein, also nährstoffarm. Durch Mulchen werden die seltenen niedrigwüchsigen Pflanzenarten wie Borstgras, Blutwurz oder Englisches Fingerkraut zugunsten hoher Süßgräserwie z.B. Glatthafer, Knauelgras, Wolliges Honiggras oder Wiesen-Schwingel zurückgedrängt. So wird die Wiese von Jahr zu Jahr artenärmer, bis sie den einheitlich grünen Wiesen ähnelt, die die konventionelle Landwirtschaft prägen.
Die Raupen des Grünwidderchens leben am Kleinen Wiesenampfer
Unbelehrbarkeit fordert Opfer
Der NABU Ammersbek machte den Biohof schon 2013 auf diese zerstörerische Praxis aufmerksam und harkte in mühevoller Handarbeit das Mähgut von der Wiese herunter. Mehrfach bat er darum,wenigstens diesen einen Hektar in der großen Fläche nicht zu mulchen. Trotzdem wurde jetzt Mitte Juni erneut gemulcht. Die Tagfalterarten Brauner Feuerfalter, Kleiner Feuerfalter und Ikarus-Bläuling waren bereits nach dem ersten Mulchen verschwunden, für das Grünwidderchen,die Sumpfheuschrecke und die Große Goldschrecke sieht die Zukunft nun ähnlich schlecht aus. Während sich sonst um diese Zeit hunderte junger Moorfrösche in den feuchten Senken der Wiese aufhalten, haben dieses Jahr nur einzelne den Schlegelmulcher überlebt.
Der Braune Feuerfalter (Schwfelvögelchen) legt seine Eier an Ampfer ab, von ihm ernähren sich seine Raupen
Naturschutz muss bezahlt werden
Wiesen und Weiden, auf denen bis vor wenigen Jahren mehr als die Hälfte aller Pflanzenarten Deutschlands vorkam, werden immer weniger. Zusätzlich führt die schleichende Entwertung von artenreichem Grünland durch die Intensivierung der Landwirtschaft zu einer fatalen Abnahme der Biodiversität. Der Erhalt dieses Wertgrünlands ist daher eine unserer wichtigsten Naturschutzaufgaben.
Um aber die Borstgraswiese im NSG Heidkoppelmoor und die Einnahmen von Gut Wulfsdorf gleichermaßen zu sichern, wären Ausgleichzahlungen notwendig. Der NABU Ammersbek, der bisher recht froh über die Zusammenarbeit mit dem Gut im NSG war, hat sich bereits danach erkundigt und erfahren, dass Vertragsnaturschutzmodelle des Landes Schleswig-Holsteins nicht in Anspruch genommen werden dürfen, da die Fläche Hamburger Grundeigentum ist.
Aufwertung als Kompensation von Hamburger Grünflächenverlust
Hamburg hat mit dem sogenannten Natur-Cent gerade einen ökologischen Finanzausgleich beschlossen für den Grün- und Freiflächen-verzehrenden Bau von 10.000 Wohnungen pro Jahr. Der Fraktionsvorsitzende der Wandsbeker GRÜNEN erhofft sich damit, "dass vor allem Wandsbeks Naturkapital aufgewertet und erhalten werden kann". Hier wäre eine ausgezeichnete Möglichkeit: Der Biohof kann dann ohne eigene Verluste das Naturkapitel der Wiese erhalten und zu Recht seinen Werbeslogan weiter verwenden: „Landwirtschaft im Einklang mit der Natur“.
http://www.wuzonline.de/wp-content/uploads/2016/05/WUZ_Nr_104_vom_Juli_2016.pdf Fotos: Thomas Behrends