NABU - Gruppe Ammersbek e.V.


Massensterben mit Verzögerung

Wie moderne Insektizide zu effektiv töten

Seit vor 40 Jahren Insektengifte wie DDT und Lindan verboten wurden, hat die Industrie neue Agrochemikalien entwickelt, die gezielter nur bestimmte Schädlinge töten sollen. Inzwischen sind sogenannte Neonicotinoide die am meisten verbreiteten Insektizide. Mit ihnen wird das Saatgut behandelt, oder sie werden als Körner mit der Saat in den Boden eingebracht. Die Ackerpflanzen nehmen dann während des Wachstums das Gift  auf; es verteilt sich in Blättern, Blüten, Pollen und Nektar.
Wegen der vermuteten Bienenschädlichkeit hat die EU die Erlaubnis für ihre Verwendung vorübergehend eingeschränkt, bis belastbare Forschungsergebnisse vorliegen. Syngenta und Bayer reichten Klage dagegen ein.

Eine im November 2014 im Wissenschaftsmagazin Science erschienene Synopsis listet die fatalen Wirkungen auf verschiedenen Tiergruppen auf. Es zeigte sich, dass Honigbienen schon bei einer Aufnahme von kaum 2 Millionstel Gramm sterben, allerdings mit Verzögerung. Die täglich aufgenommenen Mengen summieren sich, das Gift wird im Stock verteilt, im Futter für die Larven und die Königin. Die schleichende Vergiftung schädigt das Immunsystem, den Geruchssinn und das Gedächtnis der Bienen, sogar die Bewegungsfähigkeit. Nach 30 Tagen leben nur noch 50 Prozent der Arbeiterinnen. Die Königin schafft es nicht, bis zur nächsten Saison zu überleben.
Pollen sammeln in einer Wegwartenblüte
Aber auch Ameisen sowie viele Fliegen- und Mückenarten sterben. Hinzu kommen Insekten, die für die Zersetzung von Pflanzenmaterial im Boden notwendig sind und vor allem die Insekten, deren Larven in Seen, Bächen und Flüssen leben. Damit wird  Vögeln, Fischen, Fledermäusen und Fröschen die Nahrungsgrundlage entzogen. In den Niederlanden zeigte eine Studie im vergangenen Jahr den direkten Zusammenhang zwischen dem stetigen Rückgang von fünf Vogelarten eines Gebietes innerhalb der vergangenen 20 Jahre und der Kontamination des Oberflächenwassers mit einem der wasserlöslichen Neonicotinoide.

Im Boden bleiben die Gifte über ein Jahr bestehen, in 80 Prozent der Gewässer lassen sie sich inzwischen nachweisen. Die Experten warnen davor, Saatgut weiter prophylaktisch zu behandeln. Die Ernteerträge steigen dadurch nicht und die bereits absehbaren Folgen beginnen sich zu einer Katastrophe für das fragile Netz der Lebewesen - einschließlich Mensch - auszuwachsen.
 Imkerprotest auf der "Wir haben es satt"-Demo in Berlin am 17.1.15

Quellen:

The trouble with neonicotinoids,Science, 14 November 2014: Vol. 346 no. 6211 pp. 806-807DOI:10.1126/science.1259159

Declines in insectivorous birds are associated with high neonicotinoid concentrations,  Nature, 09 July 2014 , doi:10.1038/nature13531

 

Link:

Was Hausgärtner zur Versorgung Blüten besuchender Insekten tun können.